Wasserstoff-Hausboot

Das erste wasserstoff-betriebene Hausboot Deutschlands kommt aus Havelberg in Sachsen-Anhalt.
Innovation made in Sachsen-Anhalt. Die Havelberger Kiebitzberg-Werft baut das erste wasserstoffbetriebene Hausboot Deutschlands – und 29 weitere könnten folgen. Insgesamt 30 innovative Hausboote hat ein Touristiker aus Bayern in Sachsen-Anhalt bestellt.
Es dröhnt und zischt in der riesigen Werkhalle am Südufer der Havel. Männer in Arbeitsoveralls schneiden, schweißen, bohren. Hier, in Sichtweite des stolzen romanisch-gotischen Havelberger Doms entsteht das erste wasserstoffbetriebene Hausboot Deutschlands. „Diese Hausboote sind völlig autark. Damit kann man eine Woche auf dem Wasser bleiben, ohne nachzutanken“, erklärt Senior-Firmenchef Andreas Lewerken.
Das Wasserstoff-Brennstoffzellensystem erzeugt den Strom, der in einem 80 Kilowattstunden starken Akku gespeichert wird. Dieser speist den Elektroantrieb und das Bordnetz für Licht, Klima, Heizung und Warmwasser.
Rumpf, Aufbauten und die komplette Inneneinrichtung werden in Havelberg in 3D geplant, mit hochpräzisen CNC-Spezialmaschinen gefertigt und montiert. Das Ergebnis ist 12,85 Meter lang, 16 Tonnen schwer und sieht ziemlich futuristisch aus.
Die Geschichte des Familienunternehmens mit insgesamt 100 Mitarbeitern ist ein kleines Wirtschaftswunder-Lehrstück. Lewerken, gelernter Tischler, übernahm die marode, in Konkurs gegangene ehemalige DDR-Binnenwerft 1998 von der Treuhand. Samt Schiffbaumeister und vier ABM-Kräften. „Ich wollte hauptsächlich den geschichtsträchtigen, 300 Jahre alten Werftstandort erhalten. Auch wenn eine Nutzung erstmal für den Möbelbau geplant war“, erzählt Lewerken. „Nun hatte ich also eine Werft.“
Im Möbel-Segment spezialisierte sich das Unternehmen auf den Innenausbau von Kreuzfahrtschiffen. „Viking, Aida, Mein Schiff, Queen Mary – wir waren überall dabei“, sagt der Chef stolz. Parallel kamen plötzlich Anfragen zum Bau von Schiffsrümpfen. „Ich habe mir Fachleute dazugeholt“, sagt Andreas Lewerken. 2001 liefen in Havelberg die ersten Traditionssegler vom Stapel. Das war die zweite Geburtsstunde des Schiffbaus in der Hansestadt Havelberg. Das bis dahin letzte seetüchtige Gefährt wurde hier vor 300 Jahren gebaut – im Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688). Bis in die 1990er Jahre wurden in Havelberg Schiffe nur noch gewartet und repariert.
Längst hat die nächste Familiengeneration das Ruder übernommen. Juniorchef Florian Lewerken hat in Rotterdam Betriebswirtschaft studiert und kümmert sich vor allem um Konstruktion und Produktionsmanagement. Inzwischen hat die Kiebitzberg Schiffswerft die Baunummer 465 abgeliefert. Dazu zählen u. a. 60 Schiffe und Yachten, Haus- und Saunaboote, Katamarane u.v.m. Immer individuelle Lösungen, nichts von der Stange. „Seit 2014 bauen wir auch Solarschiffe“, sagt Florian Lewerken. Besonderer Stolz des Unternehmens: Die Schiffswerft in Sachsen-Anhalt produzierte für eine Berliner Reederei die ersten solarbetriebenen und abgasfreien Fahrgastschiffe. Diese innovativen Schiffe schippern seit 2020 mit Sonnenenergie geräuschlos über Spree und Havel. Und jetzt kommt der Wasserstoff aufs Wasser…
Ahoi Sachsen-Anhalt
Einsame Spitze: Rund 80 Prozent der deutschen Binnenschiffe werden in Sachsen-Anhalt gebaut, bestätigt der Verband für Schiffbau und Meerestechnik. An Werftstandorten wie Tangermünde, Genthin, Derben, Aken oder Havelberg entstehen beispielsweise Fahrzeuge für die Weiße Flotte Dresden, den Hamburger Hafen oder die Berliner Fahrgastschifffahrt – aber auch Baggerschiffe, Fähren für Rhein und Weser sowie Polizeiboote.