Digitalisierung beginnt mit Bildung
Große internationale Player wollen in den kommenden Jahren Milliarden in Sachsen-Anhalt investieren – vor allem im digitalen Bereich. Der Bedarf an qualifizierten Fachkräften steigt. Mit speziellen Strategien und digitalen Projekten machen Land, Hochschulen und Unternehmen die Fachkräfte von morgen schon heute fit für große Aufgaben.
Fünf Hochschulen in Sachsen-Anhalt haben einen deutschlandweit einzigartigen Studiengang zur Künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt: „AI Engineering – Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften“. Für den Studiengang kooperieren die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die Hochschule Anhalt, die Hochschule Harz, die Hochschule Magdeburg-Stendal und die Hochschule Merseburg. Der Studiengang „AI Engineering“ ist eine Schnittstelle zwischen KI und Ingenieurwissenschaften und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Land Sachsen-Anhalt gefördert.
Prof. Korinna Bade von der Hochschule Anhalt koordiniert das Projekt. Die Idee: „Synergien und Potenziale, die in Sachsen-Anhalt ohnehin vorhanden sind, bündeln und gemeinsam nutzen. Wir haben hier eine hervorragende Infrastruktur im Agrarbereich, zu der auch die Drohnentechnik gehört, und die technischen Voraussetzungen, um auch große KI-Modelle zu trainieren.“
Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg beschäftigt sich mit Fertigung, Produktion und Logistik, die Hochschule Merseburg mit Green Engineering und die Hochschule Harz mit mobilen Systemen und Telematik.
Bildung ist ein wichtiger Schlüssel für kluge Lösungen und Perspektiven für die Zukunft. Sachsen-Anhalt geht hier mit innovativen Ansätzen voran.
Kompetenzzentrum KI
„Zentrale Anlaufstelle für innovatives Lehren und Lernen interdisziplinärer Kompetenzen der KI“ – dieser Begriff ist sperrig. Umgangssprachlich heißt es deshalb „Zakki“. Das Team um Prof. Sebastian von Enzberg übersetzt die Chancen und Herausforderungen der KI für Lehrende und Studierende an der Hochschule Magdeburg-Stendal: „Herzstück sind die Tandem-Lehrmodule, in denen gemeinsam mit Professoren aus den Fachbereichen und dem Zakki-Team Lehrmaterialien entwickelt und evaluiert werden.“ Die Materialien und Dokumente werden auf die Online- Plattform „KI & Me“ hochgeladen, zusätzlich gibt es Selbstlernkurse. Die Website macht das Thema KI für alle Fachbereiche leicht zugänglich.
Klassenzimmer der Zukunft
Der Weg zu den dringend benötigten Fachkräften von morgen führt über die Schule von heute – und vor allem über die Lehrerinnen und Lehrer. In einem Industriegebiet von Halle (Saale) steht das „Intel & Dell Klassenzimmer der Zukunft“. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Raum in der Niederlassung des Computer-Weltkonzerns Dell Technologies.
Hier bekommen Lehrer – und später auch Schüler – über 3D-Brillen einen ganz besonderen Zugang zu digitalen Welten. Sie tauchen ein in die Antike oder unternehmen eine virtuelle Reise durch den menschlichen Körper. Später lernen sie, wie man einen Server aufsetzt oder eine Drohne programmiert.
Pro Quartal werden hier 70 Lehrer in sechs Fortbildungen digital fit gemacht. „Das ist eine gute Investition in die Region“, sagt Dell-Teamleiterin Madlen Wittig. „Wir versuchen, den Menschen die Angst vor der Technik zu nehmen.“ Mit Erfolg.
Der Chipgigant Intel beteiligt sich federführend an dem Projekt. „Wir wollen Menschen, Technologie und Raumfahrt zusammenbringen“, sagt Goran Hauser. Als Industry Advisor kümmert er sich unter anderem um die digitale Ausbildung von Lehrern – damit diese ihr Wissen an die Schüler weitergeben können.
Mit Weltraum ist in diesem Fall das „Klassenzimmer der Zukunft“ in Halle (Saale) gemeint. „Das ist aber erst der Anfang“, sagt Hauser, der mit Schulträgern, Kommunen oder dem Netzwerk Sachsen-Anhalt über weitere Standorte und Finanzierungen verhandelt.
Es geht darum, die Idee in die Fläche zu bringen. Das soll mit so genannten „Fliegenden Bauten“ geschehen. Stylische Container mit viel Licht und Farbe – und digital voll ausgestattet. Eine Kooperation mit der niederländischen Lernraumdesignerin Rosan Bosch, die weltweit innovative Projekte realisiert und sich unter anderem den Idealen des Bauhauses verschrieben hat. Hauser: „In den nächsten Jahren wollen wir die ersten Fliegenden Bauten in Sachsen-Anhalt aufstellen.“ Der Plan: Neben Lehrern und Schülern sollen dort auch ortsansässige Unternehmen oder die Öffentlichkeit den nächsten Schritt in die digitale Welt machen können.
Ausgezeichnete Lehrkraft
Mathematik, Physik oder Informatik gehören nicht unbedingt zu den Lieblingsfächern, wenn man Schüler fragt. Dabei werden gerade hier die Grundlagen für die Fachkräfte von morgen gelegt. Sachsen-Anhalt braucht junge Leute, die sich für Elektronik, Robotik oder Halbleitertechnik interessieren.
Dr. Andreas Becker ist Lehrer am Halberstädter Gymnasium Martineum. Der 39-Jährige kann seine Schülerinnen und Schüler für genau diese Themen begeistern – sie haben ihn der Jury der Heraeus-Bildungsstiftung und des Deutschen Philologenverbandes für den bundesweiten Preis „Ausgezeichneter Lehrer“ vorgeschlagen. Andreas Becker erhielt die begehrte Auszeichnung für seinen innovativen Unterricht.
Der ausgezeichnete Lehrer engagiert sich auf Augenhöhe, arbeitet mit Beispielen statt mit komplexen theoretischen Erklärungen. Dr. Becker kann motivieren, hat Spaß an komplizierten naturwissenschaftlichen Zusammenhängen – und kann das auch seinen Schülern vermitteln. „Ich versuche immer, mich in die Schüler hineinzuversetzen.“ Schule, die Spaß macht.
Duales Studium für Lehrer
Sachsen-Anhalt geht ab dem Wintersemester 2024/25 neue Wege bei der Gewinnung und Ausbildung von Lehrkräften. Die Universität Magdeburg, das Bildungsministerium und das Wissenschaftsministerium starten einen Modellversuch für ein praxisorientiertes, duales Lehramtsstudium. Das Besondere: Bereits ab dem dritten Semester unterrichten die Studierenden unter Anleitung an Schulen – um schneller fit für die Praxis zu werden.
Die angehenden Lehrer erhalten ein Stipendium von bis zu 1.540 Euro im Monat. Im Gegenzug verpflichten sie sich, anschließend mindestens fünf Jahre in Sachsen-Anhalt zu bleiben und als Lehrer zu arbeiten. 82 Bewerbungen aus zehn Bundesländern gingen ein.
Schnelles Internet für Schulen
Für die digitale Bildung seiner Schülerinnen und Schüler investiert Sachsen-Anhalt auch massiv in die Glasfaseranbindung der Schulen. Im bundesweiten Vergleich lag Sachsen-Anhalt beim Ausbau 2023 hinter Berlin auf Platz 2. Mit Stand April 2024 sind inzwischen 858 von 865 Schulstandorten mit schnellem Internet versorgt, das sind rund 99 Prozent. „Mit diesem Projekt unterstützt die Landesregierung die Digitalisierung der Schulen und stärkt den Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Interne und externe Prozesse wurden optimiert, um das Projekt zügig abzuschließen“, so die Ministerin für Infrastruktur und Digitalisierung, Dr. Lydia Hüskens.
Jura-Examen digital
Auch bei der Digitalisierung des Jura-Examens ist Sachsen-Anhalt Vorreiter. Bereits 2019 wird die vollständig digitale Zweite Juristische Staatsprüfung eingeführt: Prüfung am Laptop statt mit Stift und Papier.
„Seit August 2024 wird in Sachsen-Anhalt auch die elektronische Prüfung für das Erste Juristische Staatsexamen angeboten. Die Resonanz ist durchweg positiv“, sagt Justizministerin Franziska Weidinger. „Die überwiegende Mehrheit legt die Prüfungen inzwischen am Computer ab.“ Bei den E-Examina werden die Klausuren an speziellen Computern geschrieben, die von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zur Verfügung gestellt werden. Manipulationen und Beeinflussungen sind damit ausgeschlossen.