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Frühwarnsystem für Landwirte - Interview mit Sophie Prokoph

Sophie Prokoph ist in Halle (Saale) aufgewachsen. Ihr Abitur machte sie dort am Georg-Cantor-Gymnasium. Ihr mathematisches und naturwissenschaftliches Interesse führte sie nach Dessau-Roßlau. Seit Oktober 2014 studiert sie an der Hochschule Anhalt Vermessung und Geoinformatik. Für ihre Masterarbeit wählte sie ein einzigartiges Forschungsgerät: Einen Gyrocopter.

Worum geht es in ihrer Masterarbeit?
Im Prinzip darum, dass eine Art Mini-Hubschrauber, also ein Gyro­copter, ein Feld überfliegt und Daten wie die Bodenfeuchte, den Nährstoffgehalt und die Wuchshöhe der Pflanzen ermittelt. Die Erkenntnisse, die ich daraus ent­wickele, helfen dann den Landwirten, gezielt Trockenstress und Nährstoffmangel entgegen zu wirken. Im Idealfall kann daraus später ein Frühwarnsystem für die Landwirtschaft entwickelt werden.

Was hat es mit dem Gyrocopter auf sich?
Es gab bisher im Wesentlichen nur zwei Möglichkeiten, landwirtschaftliche Daten aus der Luft zu erheben: Per Satellit oder mit einer Drohne. Satellitendaten haben in der Regel eine sehr schwache Auflösung, können in etwa zehn mal zehn Meter große Pixel von einem Feld erfassen. Da sind keine einzelnen Pflanzen mehr erkennbar. Eine Drohne kann zwar einzelne Pflanzen abbilden, aber meist nicht das ganze Feld abfliegen. Die Akkuleistung reicht dafür nicht. Der Gyrocopter ist der perfekte Kompromiss – er hat eine sehr gute Auflösung und kann ein ganzes Feld abfliegen.

Und wie hängt der Gyrocopter mit Ihrer Masterarbeit zusammen?
Bisher wurde noch nie ein Gyrocopter dafür benutzt, landwirtschaftliche Daten aus der Luft zu erheben. Das ist insofern einzigartig. Ich will jetzt damit in meiner Arbeit herausfinden, ob, wie und mit welcher Genauigkeit sich Bodenfeuchte, Wuchshöhe und Lagerungs­erscheinungen von Getreide und anderen Pflanzen – zum Beispiel von Mais oder Zuckerrüben – ableiten lassen. Ich habe die Daten auf dem Feld bestimmt und will sehen, ob man diese auch aus den Flugdaten herleiten kann. Dazu nutze ich RGB-Bilder, aus denen man Ortho­fotos, verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Fotos, ableiten und digitale Oberflächenmodelle berechnen kann. Also Darstellungen mit der Höhenangabe von Objekten.

Wie erfolgen diese Darstellungen im Gyrocopter?
Der Gyrocopter ist mit zwei speziellen Kameras ausgestattet, sogenannten Hyperspektralkameras. Die sind hochauflösend und empfangen Licht in einem großen Wellenlängenbereich. Eine misst im Bereich von 400 bis 1000 Nanometern, die andere von 1000 bis 2500 Nanometern. So kann auch infrarotes und ultraviolettes Licht gemessen werden. Das ist zum Beispiel nötig, um die Bodenfeuchte abzuleiten. Oder auch um zu erkennen, wie gesund eine Pflanze ist. Im Vergleich: Wir Menschen sehen etwa in einem Bereich von 300 bis 700 Nanometern. Was mich besonders fasziniert, ist, dass wir so Informationen sichtbar machen können, die dem menschlichen Auge sonst verborgen bleiben.

Sie studieren Vermessung und Geoinformatik an der Hochschule Anhalt – eine spannende Studienrichtung. Wie kam es dazu?
Naturwissenschaften haben mich schon immer interessiert. Ich bin auf eine mathematisch-naturwissenschaftlich orientierte Schule gegangen, das Georg-Cantor-Gymnasium in Halle. Während eines Mathe-Spezialisten-Lagers hat uns die TU Bergakademie Freiberg Studiengänge vorgestellt: Geoinformatik und Geophysik. Die Vermessung der Erde. Angewandte Mathematik. Das fand ich faszinierend! Wir haben damals auch ein Bergwerk besucht. Für mich war klar: Der Studienbereich ist toll. Aber unter Tage? Das wollte ich nicht.

Und wie ging es dann weiter?
Ich habe vergleichbare Studiengänge in Sachsen-Anhalt gesucht. So kam ich auf Dessau. Im Sommer bin ich spontan mit meinen Eltern an die Hochschule gefahren und konnte vor Ort glücklicherweise mit einem der Professoren aus dem Studiengang Vermessung und Geoinformatik sprechen. Danach wusste ich, dass ich in Dessau studieren möchte. So kam es dann auch: Mein Studium habe ich im Oktober 2014 begonnen.

Wann kamen Sie auf die Idee, ihre Berufung könnte in der Vermessung der Landwirtschaft liegen?
Das war während meines Pflichtpraktikums. Ich habe ein Semester am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam gearbeitet. Ich war an der Auswertung praktischer Feldmessungen beteiligt. Dabei haben uns Landwirte erlaubt, ihre Felder für landwirtschaftliche Untersuchungen zu nutzen. Sie waren sehr daran interessiert, mehr über ihre Felder zu erfahren. Zurück an der Hochschule habe ich meine Bachelor-Arbeit über die Klassifikation des Riesen-Bärenklaus geschrieben. Das ist eine invasive Pflanzenart. Sie ist auch teilweise gefährlich – wenn man sie berührt, verursacht das Haut­ätzungen. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie man diese Pflanze aus der Luft erkennen kann. Das diente der Standortbestimmung. Und darum dreht sich jetzt auch meine Masterarbeit – landwirtschaftliche Parameter aus Fernerkundungsdaten ableiten.

Wie studiert es sich an der Hochschule Anhalt?
Ganz wunderbar! Die Unterstützung in der Betreuung und der Ausstattung ist großartig. Selbst, wenn es um sehr spezielles Gerät geht. Oft werden auch Investitionen getätigt, damit man voran kommt.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ja, der Gyrocopter und seine Ausstattung sind dafür das beste Beispiel. Der Gyrocopter gehört der Hochschule Anhalt. Er wurde 2014 angeschafft und dann schrittweise um die ganze Messtechnik erweitert. Es hat eine Weile gedauert, bis man die jetzigen Befliegungen durchführen konnte. Es ist eine Spezialumrüstung, die ich jetzt auch für meine Masterarbeit nutzen kann. Dafür wurde an der Hochschule alles entwickelt und getestet – zum Beispiel, inwiefern die Kameras funktionieren, wie man damit die Felder befliegt und die Daten auswerten kann.
Sehr hilfreich für mich und meine Arbeit ist auch, dass ich eine Stelle an der Hochschule Anhalt bekommen habe. So kann ich mich auch in diesem Rahmen mit der Auswertung von Gyrocopter-Daten beschäftigen.

Was bedeutet modern Denken für Sie?
Vor allem, innovativ zu forschen. Aber man muss nicht immer zwanghaft modernisieren. Es gibt auch alte Systeme, die sich bewährt haben. Vielleicht kann modern Denken auch einmal heißen, sich auf Altbewährtes zu verlassen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich möchte mich auf eine Promotionsstelle hier an der Hochschule bewerben. Dann könnte ich mit dem Gyrocopter weiterarbeiten – das sind spannende, einzigartige Projekte.

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Landesmotto #moderndenken

Modernes Denken ist ein Markenzeichen Sachsen-Anhalts. Hier haben über Jahrhunderte hinweg kluge Köpfe weltverändernde Ideen entwickelt, die ihrer Zeit voraus waren. Sechs Ideen aus dem heutigen Sachsen-Anhalt hat die UNESCO als Erbe der Menschheit anerkannt. Das Bundesland besitzt eine einmalige Dichte von Welterbestätten. Hinzu kommen UNESCO-Modellregionen für Nachhaltigkeit. Die Region bot über Jahrhunderte Freiräume, modern zu denken. Dieser Geist, Neues zu wagen und vorzudenken, wirkt bis heute fort. Das belegen die vielen positiven Beispiele der Kampagne www.moderndenken.de

Im Landesportal, bei Instagram (@moderndenken) und im Magazin #moderndenken stellen wir kleine und große Ideen sowie ihre Protagonisten vor: Menschen, Unternehmen, Vereine, die vordenken, handeln und die Zukunft gestalten.
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