Von Tiling: Heavy Metal trifft auf Kunst und Fair-Trade
Alexander Prinz (24) und Jörn Rohrberg (32) produzieren und verkaufen Fair-Trade- T-Shirts für Metal-Fans.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Zufällig. Auf einer Studentenfeier. Da kamen wir das erste Mal ins Gespräch. Dann sind wir uns immer wieder begegnet. Wir stellten schnell fest: Es passt zwischen uns. Gemeinsam haben wir dann kurz darauf das Musikmagazin „Silence“ aus der Taufe gehoben – mit Autoren aus ganz Deutschland und Europa. Das gibt es bis heute.
Und dann?
Wir tragen gern T-Shirts, lieben Heavy-Metal und Kunst. So kamen wir auf die Idee, alle drei Elemente miteinander zu verbinden. Also T-Shirts mit Kunst aus aller Welt zu bedrucken und zu verkaufen. Heute arbeiten wir mit Künstlern aus aller Welt zusammen.
Das ist aber nicht alles?
Nein. Wir verfolgen ein nachhaltiges Konzept und bauen auf langfristige Ideen und Ziele. Wir arbeiten mit modernen Schlagworten wie Nachhaltigkeit, Fair-Trade und biologischer Produktion. Und das nicht nur, weil sie momentan gefragt sind.
Das erklären Sie bitte.
Bevor wir an den Start gingen, haben wir ein Jahr recherchiert. Unsere Stoffe kommen aus Indien, bestehen zu mind. 95 Prozent aus Bio-Baumwolle. Die T-Shirts werden in Nord-Indien produziert, von einer Firma, die nur Bio-Strom einsetzt, die keine Kinder arbeiten lässt und faire, existenzsichernde Löhne zahlt. Bedruckt werden unsere Shirts in Halle (Saale). Übrigens: Unsere Materialien, die Produktion – alles erfüllt den GOTS-Standard, kurz für „Global Organic Textile Standard“ für ökologische und soziale Textilproduktion. Dieser geht weit über die Standards von Öko-Tex hinaus.
Fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit dem Bauhaus in irgendeiner Form verbunden?
Walter Gropius versuchte eine Verbindung zwischen Kunst und Handwerk zu schaffen. Unsere Produkte sind nicht nur Kleidungsstücke, sondern tragen Ideen und Geschichten mit sich. Wir bilden mit unseren Kunstwerken die Kulturen dieser Welt ab und haben auch eine Linie für alte Meister namens „Von Tiling Art”. Wir verbinden also die Verbreitung alter Gedanken mit einem modernen Produkt.
Dazu kommt: „Wer die Welt ändern will, muss ihr ein neues Gesicht verpassen” – im Grunde beschreibt das sehr gut, was das Bauhaus vorhatte. Unser Ansinnen ist die Transformation gewohnter Herangehens- und Ausdrucksweisen. Wir versuchen eine Strömung aufzugreifen und diese zu einem Zweig zu formen, der funktioniert und nachhaltig lebt, wächst und Veränderung schafft.
Also verbinden Sie Altes und Neues?
Ja. Denn das bedeutet auch, dass man zulässt, alte Ideen aufzubrechen, sie in ein neues Licht zu rücken und keine Angst vor ungewöhnlichen Lösungen zu haben. Wir werfen einen Blick auf einen selbstverständlichen Prozess und analysieren, was falsch läuft und somit verbesserungswürdig ist und denken hier ganzheitlich. In unserem Falle vom Einkauf bis zur Kundenbetreuung nach dem Kauf. Dabei vergessen wir aber nicht, dass auch das Alte seinen Platz hat. Wenn es passt, wie eben bei unseren alten Meistern.
Ist das, was Sie machen Kunst?
Wir arbeiten mit Kunst. Sowohl die Verarbeitung und informierende Verbreitung von Kunstwerken des Jugendstils, Symbolismus u. a., aber auch der Umgang mit Designs junger aufstrebender oder bereits etablierter Künstler. Wir verbinden einen technischen Aspekt mit dem künstlerischen Handeln anderer. Man könnte uns eher als Galeristen betrachten, denn als Künstler. Wir beide sind keine herausragenden Künstler, aber wir haben ein Gespür für Kunst, Design und wissen, was wir wollen. Das hilft uns sehr bei der Arbeit mit Kunst. Man kann also eventuell auch sagen: T-Shirts können Kunst sein – wir bringen die Kunst auf Textil.
Kann Heavy Metal Kunst sein?
Musik als Kunst – eine Diskussion über die Jahrhunderte. Eine einfache Antwort: Ja.
Und Heavy Metal ist für das eine Ohr, was für das andere Free Jazz ist. Das liegt im so viel erwähnten Auge des Betrachters. Aber gute Kunst polarisiert ja immer.
Das beschreiben Sie bitte etwas genauer.
Wir lösen uns von konventionellen und konservativen Prozessen und probieren ständig neue Konzepte aus, die wir anbieten können. Wir sind offen für spannende Ideen, die auf den ersten Blick eventuell sogar zu weit von unserem Geschäftsfeld entfernt liegen.
Aber auch unser Kerngeschäft „Fashion" ist besonders heutzutage hochmodern. Wir sind kein typisches Modehaus, kein typischer Merchandise-Händler: Wir haben keine Lager voller Ware, die später vernichtet wird, weil sie aus der Mode kommt. Wir arbeiten auf unsere Kunden individuell zugeschnitten. Drucke werden erst aufs Shirt gebracht wenn es bestellt wurde. So reduzieren wir Produktion ohne garantierte Abnahme. Oberste Prämisse: Ressourcenvernichtung verhindern.
Änderungen sind jederzeit möglich.
Ins Unternehmen holen wir junge und engagierte Menschen. Mitarbeiter, die ihre Ideen, Leistung und Tatkraft mit unserer vereinen, um mehr als nur eine Firma zu schaffen. Wir verstehen das Unternehmen eher als Lebensgefühl. Die Firma repräsentiert unsere persönliche Maxime: Nachhaltig denken, sozial und ökologisch handeln.
Wie haben Sie das alles finanziert?
Alles mit eigenen Mitteln. Als die Idee entstand, haben wir unser Gespartes genommen und angefangen. Wir wollten keine Fördermittel oder Kredite aufnehmen. Klein starten und langsam wachsen ist unser Prinzip.
Welche Perspektiven sehen Sie für sich und Ihr Unternehmen in der Zukunft?
Wir erweitern sukzessiv unsere Produktpalette und haben in unterschiedlichen Bereichen bereits Erfahrungen sammeln können. Wir sind aktuell damit beschäftigt über die Shirts und Jacken hinaus in den Bereich der Alltagsmode vorzustoßen. Hier sehen wir gute Chancen für unsere Philosophie für all jene, denen ein Shirt einfach noch zu wenig ist.
Außerdem bringen wir gerade eine Heavy-Metal-Shirt-Kollektion für Kinder und Jugendliche auf den Markt. Das hatten wir nicht auf dem Schirm – darauf haben uns Metal-Eltern gebracht.
Leben Sie gern in Sachsen-Anhalt?
Ja, denn hier ist unsere Heimat – eine Region im Herzen Deutschlands voller Geschichte, Kultur und Erfindungen. Und unsere persönliche Geschichte. Wir wuchsen hier auf, erhielten Bildung und nutzen Infrastruktur und Chancen. Wir wollen somit eher etwas dort lassen, wo unsere Herkunft liegt. Man kann sagen, wir fanden es einfach fair, hier zu gründen, wo wir auch schon viel Zeit unseres Lebens verbrachten.
Alexander Prinz (24) und Jörn Rohrberg (32) starteten 2017 im Internet mit ihrem Start-Up „Von Tiling“, das Fair-Trade-T-Shirts für Metal-Fans produziert und verkauft. Prinz, der gerade sein Examen als Gymnasiallehrer macht, betreibt seit sechs Jahren den erfolgreichen Youtube-Kanal „Der Dunkle Parabelritter“, in dem er die Musikszene mit Schwerpunkt Heavy Metal beleuchtet. Rohrberg machte eine Ausbildung zum Mediengestalter, arbeitete als Producer in Agenturen und studiert Kommunikationswissenschaften. Gut ein Jahr später wurde aus dieser Idee eine GmbH gegründet.