Vorreiter der Energiewende
Sachsen-Anhalt ist Vorreiter bei der Nutzung und Erzeugung erneuerbarer Energien und Modellregion für grünen Wasserstoff. Hier werden beeindruckende Projekte vorangetrieben, damit die Energiewende gelingt.
In Sachsen-Anhalt gibt es viele Menschen, Unternehmen und Kommunen, die Dinge infrage stellen und scheinbar Unumstößliches neu denken. Gerade die Energiewende erfordert neue Lösungen für die Zukunft.
Erneuerbare Energien
Eine wichtige Säule der Energiewende ist der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Sonnenenergie, Windenergie, Geothermie und nachwachsende Rohstoffe. Sachsen-Anhalt nimmt beim Ausbau der erneuerbaren Energien eine Spitzenposition in Deutschland ein. Der Anteil an der Bruttostromerzeugung liegt bei über 60 Prozent. Schon heute können sich einige Regionen Sachsen-Anhalts rechnerisch zu 100 Prozent mit Energie aus regenerativen Quellen versorgen.
Einer der größten Windparks des Landes befindet sich auf dem Druiberg im Landkreis Harz. Hier produzieren mehrere moderne Windkraftanlagen sauberen Strom. Bekannt wurde der Park durch die 2006 errichtete leistungsstärkste Windkraftanlage der Welt. Seitdem wurden die Anlagen durch Repowering weiter modernisiert und leistungsstärker gemacht. Immer weniger Anlagen sind nötig, um noch mehr Energie zu erzeugen.
In Bitterfeld-Wolfen ist auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohletagebaus ein riesiger Solarpark gebaut worden. Er war bei seiner Errichtung 2011 der weltweit größte Solarpark innerhalb eines Stadtgebietes und versorgt jährlich 1.800 Haushalte mit Strom.
Vor den Toren Halberstadts entsteht das künftige Logistikzentrum von Daimler Truck komplett CO2-neutral. Dafür sorgt vor allem die 243.000 Quadratmeter große Photovoltaikanlage (insgesamt mehr als 30 Fußballfelder) – eine der größten Aufdach-Anlagen in ganz Europa. „Rund 90 Prozent der gesamten Dachfläche sind mit PV-Modulen ausgerüstet“, sagt Stefan Rödler, Leiter der konzerneigenen Immobilienfirma Daimler Truck Real Estate. Rödler: „Damit produzieren wir jährlich rund 20 Millionen Kilowattstunden Strom.“ Dieser wird zum Beheizen der Hallen über Wärmepumpen und Fußbodenheizungen genutzt und speist zudem insgesamt 50 Ladesäulen für Elektro-Lkw und -Pkw. Ein Teil des nicht verbrauchten Solarstroms wird in riesigen Akkus auf dem Werksgelände gespeichert, überschüssige Energie wird ins öffentliche Netz eingespeist.
Projekte in Kommunen
Im Burgenlandkreis im Süden des Landes ist der Strukturwandel besonders spürbar. Mitten im mitteldeutschen Braunkohlerevier entsteht auf einer rekultivierten Tagebaufläche ein Windpark, der voraussichtlich ab 2027 Strom ins öffentliche Netz einspeisen wird. Die erzeugte Energie soll rechnerisch 46.000 Haushalte versorgen können. Im Landkreis Mansfeld-Südharz läuft ein Modellprojekt für ein Kraft-Wärme-Kopplungssystem, das zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Bereich der Stadt Hettstedt beitragen soll. Ziel ist es, das Grubenwasser im ehemaligen Kupferbergbaugebiet zur Energiegewinnung zu nutzen.
In Halle (Saale) fördert das Land ein Projekt zur nachhaltigen Wärmeversorgung. Gemeinsam mit 32 Partnern hat die Stadt eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage in Betrieb genommen. Auch hier wird Strom aus erneuerbaren Energien zur Wärmeerzeugung genutzt. Bis 2040 will die Stadt eine Ökostromquote von 100 Prozent erreichen.
Dazu soll auch der Ausbau von Solaranlagen auf städtischen Liegenschaften vorangetrieben werden. In den nächsten zwei Jahren will die Stadt Halle (Saale) rund 40 Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausstatten. Auch in Städten wie Magdeburg, Bitterfeld-Wolfen und Staßfurt wird der Ausbau von Solaranlagen auf kommunalen Dächern vorangetrieben.
Modellregion für Grünen Wasserstoff
Ein herausragendes Großprojekt zur Energiewende ist der Energiepark Bad Lauchstädt nahe Halle (Saale), in dem eine weltweit einmalige Testproduktion errichtet wird. Ab 2025 soll hier grüner Wasserstoff mit Strom aus einem eigenen Windpark produziert werden. Der Windpark wurde bereits im Frühjahr 2024 fertiggestellt. Grüner Wasserstoff kann gespeichert und später wieder in Strom umgewandelt werden.
Mit dem Wasserstoff soll zunächst die chemische Industrie im nahe gelegenen Leuna versorgt werden. Der Wasserstoff wird in einem riesigen unterirdischen Kavernenspeicher gesammelt. Von dort gelangt er über eine 20 Kilometer lange Pipeline in das Wasserstoffnetz in Leuna. In Zukunft könnte der Energiepark Bad Lauchstädt auch den Flughafen Halle/Leipzig mit Wasserstoff versorgen.
Um grünen Wasserstoff beispielsweise zu energieintensiven Betrieben der Chemie-Industrie zu transportieren, fördert Sachsen-Anhalt den Aufbau eines Wasserstoffkernnetzes durch den Fernleitungsnetzbetreiber Ontras und den Energieinfrastrukturbetreiber VNG mit 54 Millionen Euro. Das Leitungsnetz wird aus Pipelines bestehen, die zum Teil bisher für Erdgas genutzt wurden.
Aus Biomasse wird Wasserstoff
In Gommern vor den Toren Magdeburgs hat das Biotechnologieunternehmen MicroPro gemeinsam mit dem Fraunhofer IFF und der Firma Streicher Anlagenbau einen anderen Energieträger im Blick. Dort wurde ein Verfahren entwickelt, um aus Biomasse Wasserstoff herzustellen. Biomasse – das können Maissilage, Molke oder Pflanzenreste sein, aber auch Haushaltsabfälle wie Speisereste, Kaffeesatz oder Grünschnitt. Mit dem sogenannten HyPerFerment-Verfahren ist es den Partnern gelungen, die Biomasse mithilfe spezieller Bakterien in Wasserstoff und Kohlendioxid umzuwandeln. „Der erzeugte Wasserstoff kann nach Abtrennung des Kohlendioxids entweder direkt genutzt oder in die Biogasanlage eingespeist werden, um die Methanausbeute zu erhöhen“, erklärt MicroPro-Geschäftsführer Martin Wagner.
Kraftstoff aus Ökostrom
In Sachsen-Anhalt entsteht die weltweit größte Forschungsanlage für strombasierte Kraftstoffe. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat den Chemiepark Leuna als Standort für die entsprechende Technologie-Plattform ausgewählt. Ziel sind sogenannte Power-to-Liquid-Kraftstoffe (Ptl) oder e-SAFs (Sustainable Aviation Fuels). Diese Kraftstoffe sollen ähnliche Eigenschaften wie herkömmliche Kraftstoffe haben, aber klima- und umweltverträglich sein. Sie können in bestehenden Motoren und Triebwerken von Fahrzeugen, Schiffen oder Flugzeugen eingesetzt werden. Damit könnte der Luftverkehr in Zukunft CO2-frei werden.
Diese Forschung kann die zukünftige Mobilität der Menschheit grundlegend beeinflussen. Damit eröffnet sich ein riesiger Markt und eine große Chance für neue Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt. Die Entscheidung ist auch wichtig für den Strukturwandel im Mitteldeutschen Braunkohlerevier.
Spezialchemikalien aus Rapsöl
An einer Weltneuheit arbeitet auch der Biokraftstoffhersteller Verbio am Standort Bitterfeld. Hier entsteht die erste Ethenolyse-Anlage auf Basis von nachhaltig erzeugtem Rapsöl. Damit sollen große Mengen biobasierter Spezialchemikalien hergestellt werden, die in Wasch- und Reinigungsmitteln, in Hochleistungsschmierstoffen für Motoren oder in Kunststoffen eingesetzt werden können. Die Spezialchemikalien sind damit Teil einer umfassenden Energiewende, die über die reine Energieerzeugung hinausgeht und eine nachhaltige, kohlenstoffarme Wirtschaft zum Ziel hat.