Design mit Weitblick

Jan Bäse ist seit 2016 Professor für Industrial Design an der Hochschule Magdeburg-Stendal und leitet dort den Studiengang Master Engineering Design – als einen der erfolgreichsten seiner Art in Deutschland.
Wie würden Sie die Rolle eines Industriedesigners beschreiben?
Jan Bäse: Es ist unsere Aufgabe, Probleme zu lösen. Wir bringen viele verschiedene Ebenen zusammen, damit ein Produkt für den Nutzer sehr gut funktioniert. Da spielen ästhetische Komponenten eine Rolle, aber auch ergonomische Aspekte. Ein Produkt darf sich nicht schlecht reparieren lassen und auch nicht zu teuer sein, weil es zu aufwendig konzipiert wurde. Außerdem gibt es künstlerische Komponenten, das ist eine Besonderheit dieser Disziplin. Und die größte Herausforderung ist, all diese Aspekte zusammenzubringen.
Viele Entwürfe aus Ihrem Studiengang sehen aus wie Science Fiction – wieviel Realität steckt darin?
Bäse: Es ist unser Anspruch, innovative Lösungen zu zeigen. Deswegen dürfen die Entwürfe gerne futuristisch wirken. Und obwohl ein Entwurf futuristisch aussieht, basiert das Ganze auf realistischen Einschätzungen davon, was technisch machbar ist. Dazu arbeiten wir bei allen Projekten eng mit Kooperationspartnern – vielen davon in Sachsen-Anhalt – zusammen. Das ist ein Markenzeichen und eine Besonderheit dieses Studiengangs.
Was geschieht in diesen Kooperationen?
Bäse: Wir holen uns Themen und Probleme gerne aus dem echten Leben. In Magdeburg haben wir beispielsweise seit Jahren eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Forschungscampus Stimulate, einem der ganz großen Player im Bereich der Entwicklung bildgebender medizinischer Geräte. Eine der Kernaufgaben ist, dass wir interventionelle CT- und MRT-Geräte entwickeln, mit denen man also nicht nur in den Körper hineinschauen kann, sondern an denen direkt operiert wird. Das ist ein Top-Wissenschaftsprojekt, an dem wir gemeinsam mit Spitzenforschern aus Engineering und Medizin arbeiten. Das ist sehr spannend, weil es große gesellschaftliche Relevanz hat: Es geht darum, Menschenleben zu retten, es geht um die Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten und auch um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen.
Wie läuft so ein Entwicklungsprozess ab?
Bäse: Während eines Projekts gibt es immer einen sehr engen Austausch mit den Partnern. Aktuell arbeiten wir zum Beispiel mit dem Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums zusammen. Das ist führend in der Forschung zu autonomen Fahrzeugsystemen. Die Studierenden haben sich dort intensiv die Probleme und den aktuellen Stand der Technik erklären lassen, aber auch, was in Zukunft vorstellbar ist. Im Entwicklungsprozess bekommen wir fortlaufend Rückmeldungen, um Projekte realistisch gestalten zu können.
Gibt es auch Kooperationen mit der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt?
Bäse: Ja, da gab es schon einige, zum Beispiel mit der Firma Zorn Instruments aus Stendal, die Asphalt-Prüfgeräte entwickelt und vertreibt. Das sind Geräte, die im Straßenbau verwendet werden, um die Festigkeit von neuem Asphalt zu untersuchen. Zwei Studierende haben eine Lösung gefunden, die so innovativ war, dass die Firma sie sofort mit einem Werkvertrag eingestellt hat, um aus dem Semesterprojekt ein echtes Produkt zu entwickeln.
Ist diese Praxisnähe die besondere Stärke des Studiengangs in Magdeburg?
Bäse: Wir nehmen jedes Jahr 15 Studierende auf, zuletzt aus ganz Deutschland, der Türkei und China. Wir wollen ihnen etwas bieten, damit sie herkommen. Daher verfolgen wir mit dem Master Engineering Design ein eigenständiges Konzept. Es ist der einzige Masterstudiengang in Deutschland, der sich so intensiv mit technischem Industriedesign auseinandersetzt. Und es gibt tolle Partner hier vor Ort, neben dem erwähnten Forschungscampus Stimulate im Bereich Medizintechnik auch das Fraunhofer IFF, mit denen bereits mehrfach Kooperationen stattgefunden haben, zum Beispiel zu Inspektionsdrohnen für Schachtaufgaben. Diese Kooperationen führten auch zu internationalen Design-Awards.
Welches Feedback bekommen Sie von den Kooperationspartnern?
Bäse: Wir bekommen Rückmeldungen, die schöne Belege dafür sind, dass das Konzept des Studiengangs und die Qualität der Arbeiten auch aus Sicht von Unternehmen stimmt, die in der Praxis operieren. Ein Beispiel: Der Head of Design der Firma Kärcher, Michael Meyer, hatte uns auf Instagram entdeckt und eingeladen, ein Kooperationsprojekt durchzuführen. Von unserem ersten gemeinsamen Projekt im Jahr 2023 war Kärcher so begeistert, dass man uns sagte, es sei von allen bisherigen Ergebnissen aus Designschulen das Beste gewesen. Ein tolles Lob nicht nur für die Studierenden, sondern auch als Feedback für den Studiengang. Und es hat uns die Türen zu einem zweiten Kooperationsprojekt geöffnet. Wir sind der erste Studiengang überhaupt, mit dem Kärcher ein zweites Mal zusammenarbeitet.
2025 wurde im dritten Jahr in Folge eine Arbeit aus Ihrem Studiengang mit dem iF Design Student Award ausgezeichnet. Können Sie die Bedeutung dieser Auszeichnung erklären?
Bäse: Er ist der weltweit angesehenste, begehrteste Designpreis für Studierende, laut iF Design gibt es jedes Jahr über 10.000 Einsendungen. In den vergangenen Jahren haben wir mehrere der Auszeichnungen gewonnen und gehören damit zu den erfolgreichsten Studiengängen in Deutschland, vielleicht sogar weltweit.
Was bedeutet das Motto #moderndenken für Sie im Produktdesign?
Bäse: Modern denken heißt, auch neue Werkzeuge wie künstliche Intelligenz sinnvoll einzubinden. Die KI wird die größte technologische Umwälzung bringen, die wir seit den 1990er Jahren mit dem Aufkommen von Computersystemen erlebt haben. Da sehe ich ganz große Potenziale. Aber man darf sich nicht davon blenden lassen, wenn eine KI bunte Bilder generiert. In der Produktentwicklung werden wir auch in Zukunft relevante Problemlösungen liefern müssen, mit Realitäts-Checks und der Überprüfung, ob alle Regeln eingehalten werden. Daher wird die Kommunikation und Abstimmung mit den Auftraggebern und Partnern in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Eine KI wird das in absehbarer Zeit wohl nicht erledigen können.